Montag, 19. September 2016

Darauf eine ganze Butterbrezel - oder - ein Schreibzyklus

Freitagmorgens nachdem ich mit meinem Chef telefoniert habe und meine Wochenendtermine habe, entscheidet sich die Stimmung des Wochenendes. Vergangenes WE tänzele ich (nach der sehr, sehr mauen Sommerlochspause) enthusiastisch in die Küche und verkünde meiner Familie: "Acht Termine, mein Chef liebt mich wieder."

Freitagabend sitze ich in einer zugigen Klosterkirche und höre, was ein unfassbar uninteressierter Bürgermeister mit grauer Seele zu 500 Jahre alten Chorbüchern zu sagen hat. Als der Freie Historiker das Wort ergreift übermannt mich akute Sehnsucht nach ordentlicher, wissenschaftlicher Arbeit und spätestens bei dem Vortrag der wirklich guten Sopranistin kommt Sehnsucht nach meiner Unistadt und der Gesanglehrerin dazu. Der Artikel schreibt sich dafür wie von selbst und ist zwei Stunden vor Redaktionsschluss schon eingesandt. Läuft.

Samstagmorgen. Weltkindertagsfest. "Auf Kinderrecht aufmerksam machen und zeigen, dass es Kindern nicht überall so gut geht wie hier." Das wollen sie. Umgesetzt wird: Basteln und Kinderschminken und peinliche Mitsinglieder. Auf dem Rathausbalkon steht der erste Bürgermeister, verweigert das Mitsingen und schämt sich fremd. Dafür halten wir ein erquickliches Pläuschchen auf dem gemeinsamen Weg zum nächsten gemeinsamen Termin und absolvieren auch diesen in Rekordzeit. Der Termin als solcher ist denkbar uninteressant, aber ein netter Uhrensammler erzählt, dass er haufenweise schmale, goldene Damenuhren einschmilzt, weil keiner mehr Interesse an ihnen hat. Mit einer Telefonnummer und der Zusage auf eine neue Uhr entschwinde in gen Mittagessen.

Samstagmittag. Mittelaltermarkt. Eine gute Freundin ist unter dem Lagervolk. Der Zeitplan war knapp und sie wird Zeugin, wie ich innerhalb einer Stunde den Markt abnehme, Besucher und Akteure befrage und haufenweise Bilder mache. Ich merke, wie sehr mit der Job schon in Fleisch und Blut übergegangen ist, wenn sie ihr Erstaunen darüber äußert, dass ich bevor ich Bilder mache auf Leute zugehe und nach Erlaubnis frage.



Samstagabend. Lichtkunstfestival und musikalische Kneipentour. Es hat angefangen zu regnen, die Laune sinkt. Im Dunkeln finde ich den Weg zum Veranstaltungsort nicht, komme eine halbe Stunde zu spät. Eventuelle Reden habe ich verpasst. Die Show gelinde gesagt qualitativ übersichtlich (siehe Bild - seht ihr auch einen Elefanten?). Ein Mann mit Mütze, großer Hornbrille und sehnsuchtsschwerem Blick huscht durch die Menge. Ich spreche ihn an und habe Recht, er ist der Künstler... Überraschung. Er hat bewusst "offen formuliert, um Interpretationsspielraum zu lassen", aus Zuschauersicht hat er einfach nur Mist fabriziert. Auf der Suche nach einer Besuchermeinung gerate ich an den großen Ortskünstler (ganz schlecht, wenn man den nicht erkennt), der ebenfalls hemmungslos herzieht. Immerhin.
Danach Kneipentour. Immer noch Regen. Ich warte stundenlang bis endlich die DJs anfangen. In der ersten Location schon ehemaligen Klassenkameradinnen begegnet. Die Kamera macht im Dunkeln verwackelte Bilder. Die Laune ist auf dem Tiefpunkt. Das Wissen um haufenweise Schreibarbeit am nächsten Tag nimmt jegliche Feierlaune. Die Welt ist blöd und gemein und immer zu mir.
Danach bis halb eins noch den ersten Artikel geschrieben.

Sonntagmorgen. Um sieben aufstehen und schreiben. Danach zum Gottesdienst. Ein Patrozinium. Namenstag für Kirche. Kaiserin Helena soll das Kreuz gefunden haben, an das Jesus damals geschlagen wurde. Na, wer's glaubt. 
Nettes Pläuschen mit den nächsten Bürgermeister. Wie schaffen die es nur, sich soviel Namen zu merken, sich an meine korrekten Fächer zu erinnern und tatsächlich den Eindruck zu vermitteln es würde sie interessieren, was ich zu sagen habe? Die Tochter von Manfred Rommel erzählt aus seinem Leben. Ich fühle mich uninformiert und (nicht, dass ich klage, diese Gelegenheiten werden seltener) ein bisschen zu jung, um tatsächlich mitreden zu können. Als ich während meines 7-Artikel-Schreibmarathons den ein oder anderen Artikel über ihn lese und ein klitzekleines Video mit ihm anschaue bedaure ich die Tatsache meines Unwissens fast ein bisschen. Ich meine, der Mann hat die halbe Butterbrezel erfunden. Wie viel mehr schwäbische Grundtugenden können in einem einzelnen Menschen vereint werden.
Der übliche Schreibzyklus von Freude über Termine, sinkende Laune und steigende Zahl von Flüchen pro Minuten nähert sich mit jedem abgeschickten Text wieder der anfänglichen Freude. Langsam traut sich die Familie wieder aus ihren Löchern. Warum nur hab ich mir Schreiben als Job ausgesucht, keine andere Tätigkeit macht mich dermaßen grantig.
Den Höhepunkt erlangt die Laune beim montäglichen Zeitungslesen und Bilder (=Geld) zählen.

Darauf eine Butterbrezel!


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